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© Lars Bergengruen

Kirchen und Kapellen im Südviertel

St. Martin Kirche

Die alte, romanische St. Martinskirche war gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur in einem schlechten Zustand, sondern für die Muffendorfer Gemeinde auch viel zu klein geworden. So gründete Pfarrverwalter Hubert Theodor Minartz 1883 den St. Martinus-Bauverein zur Verwaltung eines Baufonds für eine neue Kirche. In den folgenden zehn Jahren konnten diesem Fond durch Sammlungen und Spenden 26.000 Mark zugewiesen werden. Doch auch darüber hinaus wurden Anstrengungen zur Finanzierung eines Neubaus angestellt. Eine Hauskollekte, bei der Muffendorfer Kollektanten von Aachen bis Köln, von Düsseldorf und Essen bis in die Eifel reisten, erbrachte weiter 20.000 Mark. Und bei einer Kirchenkollekte in der Erzdiözese Köln kamen nochmal weitere 7.500 Mark zusammen.

Parallel zu den Bemühungen um eine Finanzierung lief die Suche nach einem geeigneten Baugrundstück für die neue Kirche. Als dieses schließlich auf dem Hügel mit dem Namen „der Helpert“ gefunden war, erwarb die Kirche die benötigten Parzellen zum einen durch Ländereientausch, zum anderen durch Ankauf und Schenkung von den damaligen Besitzern der Muffendorfer Kommende, der Familie von Fürstenberg. Ein weiteres Grundstück war bereits durch eine Stiftung aus dem Jahr 1629 in Kirchenbesitz.

Im April 1894 konnte schließlich die Grundsteinlegung erfolgen. Der Bonner Baumeister Anton Becker errichtete die dreischiffige Kirche im neugotischen Stil. Bereits am 5. Dezember 1895 wurde die Kirche geweiht. Die Übertragung des Allerheiligsten aus der alten Kirche fand drei Tage später im Rahmen der ersten feierlichen Messe statt.

Ebenfalls aus Alt-St. Martin übertragen wurde die dort vorhandene, kleine Kirchenorgel, die aber schon bald nicht mehr verwendbar war. So lieferte die Aachener Orgelbaufirma Stahlhut 1912 eine neue Orgel, die begleitet von zahlreichen Reparaturen über fünfzig Jahre lang ihren Dienst in St. Martin tat, bis sie „total verschlissen“ war, wie 1966 der Kölner Domorganist feststellte. So wurde eine neue Orgel in Auftrag gegeben, diesmal bei der Bonner Firma Klais. Die neue Orgel mit ihren 28 Registern und über 2000 Pfeifen wurde am 20. Oktober 1967 geweiht.

Nach dem Bau der neuen Pfarrkirche stand zum Geläute nur die Martinsglocke der alten Kirche zur Verfügung. Das genügte jedoch nicht. So beauftragte der Kirchenvorstand im Oktober 1898 die Glockengießerei Otto in Hemelingen bei Bremen mit der Herstellung von zwei weiteren Glocken mit den Tönen Dis und Gis, „genau stimmend zu der alten Fis-Glocke“ aus dem Jahre 1514. Ein Jahr später trafen die neuen Glocken am Godesberger Bahnhof ein, von wo aus sie mit Kränzen versehen auf einem vierspännigen Wagen nach Muffendorf gebracht wurden. Dort angekommen attestierte der Kölner Domkapellmeister den Glocken erstklassige Güte, woraufhin die Urform des Muffendorfer Pfarrblasorchesters auf den Plan trat: „Eine Musik-Kapelle, gebildet von Männern der hiesigen Pfarre, spielte so­fort nach Verkündigung dieses schönen Resultates auf dem freien Platz vor der neuen Kirche das Lied 'Großer Gott, Dich loben wir', und es wurde dieses Lied, Gott zum Danke, von den Anwesenden begeistert mitgesungen.“

Im zweiten Weltkrieg sollten die Glocken eingeschmolzen werden. Dazu wurden sie auch bereits abmontiert, doch zur Einschmelzung kam es dann doch nicht. So kehrten die Glocken in den Jahren 1947 und 1948 wieder wohlbehalten nach Muffendorf zurück.

Im Jahre 1960 wurde die in der Turmhalle befindliche Kriegergedächtnisstätte als Siebenschmerzenkapelle umgestaltet. Die Wandgemälde in der neugestalteten Halle schuf der Kölner Maler Peter Hecker, damals einer der namhaftesten Expressionisten. Er gestaltete das Thema der „Sieben Schmerzen Mariens“ in seinem expressionistischen Zyklus eindrucksvoll in dieser Kapelle, die dem Gedächtnis der Verstorbenen beider Weltkriege gewidmet ist. Der bekannte Kölner Künstler Sepp Hürten gestaltete und schnitzte ein neues Hauptportal. Die sich im Inneren der Kirche befindlichen Gedenktafeln zum Andenken an Pfarrer Franz Kerzmann, dem Erbauer des Gotteshauses, und an die Familie von Fürstenberg wurden schließlich hinter dem Chor an der Außenmauer angebracht.

Gefährliche Ausbuchtungen und Risse am Gewölbe waren der Anlass für eine grundlegende, große Renovierung der Pfarrkirche, die in der Zeit von Mitte März 1981 bis Ende März 1983 durchgeführt und wie diejenige von 1960/61 von dem Godesberger Architekten Peter Rieck betreut wurde. Dazu musste das ganze Gewölbe herausgerissen werden. Auch im Altarraum wurden Veränderungen vorgenommen. Ein neuer, von Sepp Hürten gestalteter Altar aus Bronze und ein neuer Ambo aus demselben Material sind auf den ersten Blick am auffäligsten. Das neue Sakramentshaus steht auf dem alten Hochaltar.

Der neue Altar aus Bronze brachte allerdings einiges Kopfzerbrechen mit sich. Es war nämlich ein Novum, Heiligenreliquien in einen Metallaltar einzuset­zen, normalerweise bestehen Heiligengräber aus Stein. Deshalb mußten sich sowohl die Liturgie- als auch die Kunstkommission der Erzdiözese mit dieser Situation befassen, ehe das Kölner Generalvikariat für die Konsekration des Altars, die am Palmsonntag 1983 durch Weihbischof Dr. Plöger erfolgte, grünes Licht gab. Der Altar darf als Reliquiengrab dienen, weil er fest mit der Erde verbunden ist, lautete schließlich die Entscheidung.

Nach der Renovierung 1960 waren die alten, noch im Nazarener Stil gemalten und mit geschnitzten Rahmen versehenen Stationen des Kreuzweges durch kleine Kreuze ersetzt worden. Schließlich beschloss der Kirchenvorstand im Anschluss an die umfassende Neugestaltung der Kirche, einen neuen Kreuzweg als unverzichtbaren Bestandteil der bildnerischen Ausgestaltung eines katholischen Gotteshauses zu schaffen. Der Auftrag dazu erging an die Muffendorfer Keramikerin Charlotte Küpper, die ihn in den Jahren 1986/87 ausführte. Sie erfüllte diese Aufgabe in der Weise, dass jedermann und insbesondere der Beter auf den ersten Blick sieht, welche der vierzehn Leidensstationen er vor sich hat. „Ich hielt es nicht für angebracht, einen Kreuzweg zu schaffen, der so wirklichkeitsfremd und verschlüsselt gestaltet ist, dass er gleichsam einer langatmigen Erklärung bedarf, um seine Aussage zu verstehen“, erklärte die Künstlerin zu ihrem Werk.

Seit Sommer 1945 befand sich im vorderen Teil der Muffendorfer Volks­schule der kleine, intime, aber keineswegs ausreichende und den Ansprüchen genügende Kindergarten. Nach der Stiftung des Kommendegartens im Jahre 1957 durch Elisabeth Mayer stellte sich die Frage nach dem Bau eines neuen Kindergartens. Bis zur endgültigen Planung und Sicherstellung der Finanzierung vergingen jedoch noch etliche Jahre. Am 1. September 1970 konnte dann der neue, ausreichend große und moderne Bau seiner Bestimmung übergeben werden. Noch ganze vier weitere Jahre musste die Gemeinde warten, bis auch das Pfarrheim, ebenfalls im Kommendegarten gelegen, fertig gestellt werden konnte.

Quelle: Heinz Wickert, Katholische Kirchengemeinde St. Martin Muffendorf, herausgegeben von der Gemeinde selbst, 1988; Fotos: Lars Bergengruen, 2008

Bilder: © Lars Bergengruen