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Förderbedarf für Kitakinder wächst stetig

Bürgerstiftung Rheinviertel trägt bundesweit einmaligen Förderdienst

„Der Bedarf an zusätzlicher Förderung in unseren Kindertagesstätten steigt stetig“, mit diesem Resultat fasst Dechant Dr. Wolfgang Picken die Entwicklung im Kindergartennetzwerk Bad Godesberg zusammen. Die Bürgerstiftung Rheinviertel unterhält seit zwei Jahren einen Beratungs- und Förderdienst für die 14 Katholischen Einrichtungen im Stadtbezirk. In den Kindertagesstätten werden knapp 800 Kinder betreut.

Der Förderdienst ist bundesweit ein einmaliges Projekt und präsentiert heute seinen Erfahrungsbericht. „Wir stellen fest, dass manche Kinder Beeinträchtigungen aufweisen, die im normalen Kindergartenalltag kaum berücksichtigt werden können und einer speziellen Förderung bedürfen. Oft werden die Probleme der Kinder nicht einmal erkannt, weil es dafür den geschulten Blick von Therapeuten braucht“, erläutert Gertrud Lindlar, die Leiterin des Dienstes. Seitdem die Bürgerstiftung Rheinviertel ihren Förderdienst eingerichtet hat, ist allein die Zahl der von ihr betreuten Einzelintegrationsmaßnahmen auf neun gestiegen. „Bis zu diesem Zeitpunkt gab es im Bonner Stadtgebiet insgesamt nur zehn Einzelintegrationsmaßnahmen. Das zeigt, wie unerkannt oft der dringende Förderbedarf von Kindern ist“, fährt Dechant Picken fort.

Neben den Einzelintegrationsmaßnahmen, denen ein diagnostizierter Förderbedarf und eine Anerkennung durch den Landschaftsverband zugrunde liegen, begleitet der Förderdienst zahlreiche weitere Kinder in der sprachlichen, motorischen und sozialen Entwicklung. „Die Fülle der Anforderungen haben dazu geführt, dass wir unseren Dienst personell intensiv entwickeln mussten“, sagt der Vorsitzende der Stiftung. Ab dem neuen Kindergartenjahr werden insgesamt fünf Mitarbeiterinnen die Betreuung der Kinder mit Förderbedarf sicherstellen. Das Team besteht aus Motopäden, Logopäden und Sozialpädagogen mit Zusatzausbildung in der Sprachförderung. „Die Sprachförderung in unseren Kindertagesstätten ist ein wichtiger Arbeitsbereich, der vom Beratungs- und Förderdienst koordiniert und verstärkt wird. Gerade hier zeigen sich bei vielen Kindern erhebliche Verzögerungen in der Entwicklung“, so Lindlar. Dabei macht die gelernte Erzieherin und Logopädin deutlich, dass sich die Aufmerksamkeit des Förderdienstes nicht nur auf die Kinder, sondern auch auf deren Eltern richtet. „Die gezielte Begleitung der Kinder durch die Eltern ist wichtig für einen Therapieerfolg. Für manche Eltern ist es aber nicht einfach, den Förderbedarf ihrer Kinder anzuerkennen, weil sie darin ein Defizit sehen. Aber gerade ein frühzeitiges Erkennen und Fördern stellt sicher, dass das Kind seine Beeinträchtigungen überwindet oder deutlich mindert“, weiß Lindlar zu berichten. „Es ist erstaunlich, wie stark die Wirkung der Frühförderung und wie groß die Behandlungserfolge sind“, freut sich Dechant Picken. Ziel sei es, dass Kinder mit besonderem Förderbedarf soweit unterstützt werden, dass sie sich nach ihren Fähigkeiten weiter entwickeln und gemeinsam mit allen Kindern in die Schule gehen können.

Besonders erkennbar wird der Erfolg des Förderdienstes bei den ersten Kindern, die nach der Begleitung durch den Förderdienst in diesem Jahr in die Grundschule wechseln. Gertrud Lindlar macht das exemplarisch an einem Beispiel deutlich. Annika (Name geändert) war eine der ersten Kinder, die durch den Förderdienst begleitet wurden. „Als ich Annika vor zwei Jahren kennenlernte, war sie sehr zurückhaltend. Sie hatte kaum Spielpartner und sprach nicht mit den Erzieherinnen“, berichtet die Leiterin des Dienstes. „Heute kommt sie offen und selbstbewusst auf mich zu, erzählt Geschichten, singt, lacht und spielt mit anderen Kindern.“ Annika konnte nach der zweijährigen Zusatzförderung die Schulreife erlangen, obwohl sie erst vor wenigen Wochen sechs Jahre alt geworden ist. Annikas Mutter ist überzeugt: „Ohne die Unterstützung durch das Team des Förderdienstes in der Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen vor Ort wäre Annika nicht so weit gekommen.“

Die wachsende Nachfrage stellt die Bürgerstiftung Rheinviertel vor große Herausforderungen. „Es ist Ausdruck unseres ganzheitlichen Blicks auf die Kinder und unserer Verantwortung als Christen, dass die wir dem erweiterten Bedarf der Kinder nicht tatenlos gegenüber stehen wollen und das Konzept eines Förderdienstes entwickelt haben“, sagt Dechant Picken. Die Bürgerstiftung Rheinviertel wird deshalb weitere Mittel benötigen, damit in den Einrichtungen des Kindergartennetzwerks der Förderbedarf einzelner Kinder sicher gestellt und ihm mit zusätzlicher Betreuung und Therapie begegnet werden kann. „Hier sind wir auf die Großzügigkeit der Bevölkerung und Spenden angewiesen“, sagt der Godesberger Pfarrer. Ferner plant die Stiftung den Förderdienst auszuweiten und die geförderten Kinder zukünftig auch in der ersten Phase der Schulzeit zu begleiten. „Wir sind überzeugt, dass den Kindern eine Übergangsbegleitung durch eine vertraute Therapeutin gut tun würde“, sagt Lindlar. „Wir müssen allerdings auch die Verantwortlichen in der Politik mehr in die Pflicht nehmen. Der gewachsene Förderbedarf vieler Kindergartenkinder wird zu wenig wahrgenommen. Es braucht mehr Fachpersonal in den Regeleinrichtungen oder vergleichbare Dienste wie den unserer Stiftung. An den Kindern darf nicht gespart werden. Wer hier wegsieht und nicht hilft, versündigt sich!“ mahnt Dechant Picken. Und der Theologe und Politologe fügt an: „Es braucht auch eine tabulose Diskussion darüber, warum der Förderbedarf unserer Kinder wächst und was dafür die Gründe sind. Kurzum: Wir müssen uns fragen: Was läuft in unserer Gesellschaft und unseren Familien falsch?!“

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